Wann hast Du (bewusst oder unbewusst) das erste oder das letzte Foto von einem Menschen gemacht?
Ich weiß noch genau, wann ich das erste Foto meines Sohnes Anton gemacht habe. Das war am Tag seiner Geburt, am 25.9.2017, wenige Minuten nachdem er aus dem Kreißsaal gekommen ist. Nachdem meine Frau Sonja und ich uns etwas mit dem kleinen Neuankömmling bekannt gemacht hatten, wollten wir ja auch Familie und Freunden die freudige Nachricht überbringen.
Wer uns kennt, der weiß um den langen und steinigen Weg zur glücklichen Familie und kennt insbesondere die Tatsache, dass wir ein Jahr zuvor unseren ersten Sohn in der 22. SSW verloren haben und das innerhalb von zwei Tagen, ohne dass es vorher irgendwelche Anzeichen gegeben hätte. Als ich Anton zum ersten Mal im Arm gehalten habe, sind daher Monate der Anspannung von mir abgefallen, denn aufgrund der Vorgeschichte konnten wir diese Schwangerschaft nicht wirklich genießen, vielmehr wurden Mutter und Kind während der gesamten Schwangerschaft sehr engmaschig untersucht und betreut.
Ich weiß nicht, ob ich jemals das letzte Foto eines Menschen gemacht habe, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Aber es gab eine Situation vor zwei Jahren, als ich im Moment des Auslösens dachte, dass es das letzte Foto werden würde - das letzte Foto von meinem Vater. Er erlitt am 10.03.2020, drei Tage vor Bekanntgabe des ersten Corona-Lockdowns in Deutschland, in der Uniklinik Frankfurt einen schweren Schlaganfall. Zwei Tage danach durfte ich ihn auf der Intensivstation besuchen und war geschockt von seinem Anblick. Er hat geschlafen und war meiner Einschätzung nach in diesem Moment den Tod näher als dem Leben. Trotzdem (oder gerade deswegen?) habe ich ihn fotografiert. Er hat sich in den Tagen und Wochen danach etwas erholt. Sechs Wochen später haben wir erneut die Luft angehalten, denn er musste dringend am Herzen operiert werden, die Ärzte konnten aber vor Beginn der sechsstündigen Operation nicht garantieren, dass er wieder aus der Narkose aufwachen würde. Er ist wieder aufgewacht. Nach weiteren Wochen im Krankenhaus kam er dann am Mitte Juni zunächst in die Reha und dann wieder nach Hause.
Er ist auch heute, zwei Jahre nach dem Schlaganfall, noch stark eingeschränkt und wird definitiv nicht mehr der Mensch werden, der er vor dem 10.03.2020 war, aber wir alle sind froh, dass er noch bei uns ist und ich bin froh, dass das Foto im Krankenhaus nicht das letzte war.
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